„3.000 Wohnungen weniger in Fulda, aber 10.000 Personen mehr als 1939“ (Fuldaer Nachrichtenblatt, 1.8.1945)
Angesichts der Wohnraumproblematik durch die Kriegszerstörungen und Beschlagnahmungen stellte die Versorgung, Unterbringung und Arbeitsplatzbeschaffung der Heimatvertriebenen eine große Herausforderung in den Nachkriegsjahren dar. Im Verwaltungsbericht der Stadt Fulda für das Jahr 1948 bezeichnete Oberbürgermeister Dr. Cuno Raabe die Wohnungsnot als ein „Kardinalproblem“. Denn neben den Heimatvertriebenen mussten auch noch 4.000 Evakuierte, Displaced Persons sowie eine nicht näher bestimmbare Zahl von durchziehenden Flüchtlingen beherbergt werden. Die Stadtverwaltung legte am 16. September 1946 der Militärregierung eine Berechnung vor. Nach dieser lebten in Fulda mittlerweile 44.631 Personen, sodass auf den in der Stadt vorhandenen Wohnraum 1,93 Personen kamen (vgl. Stadtarchiv 6/474).
Die Unterbringung von Flüchtlingen und Vertriebenen in den Wohnungen der einheimischen Bevölkerung führte häufiger Problemen und Auseinandersetzungen. Der Verwaltungsbericht der Stadt Fulda für das Jahr 1946 gibt Auskunft darüber, dass die Situation eine erhebliche Belastung für die Bevölkerung sei, die zu „Spannungen zwischen Alt- und Neubürgern aufgrund des engen Zusammenwohnens sowie des verschiedenartigen landsmannschaftlichen Charakters“ führe. Dennoch lebe die Mehrheit der Flüchtlinge „in guten Verhältnissen mit ihren Quartiergebern.“
Der Leiter der Wohnungsabteilung Hitzel berichtete im Interview mit dem Stadtbaurat Hans Nüchter über die Wahrnehmung der lokalen Bevölkerung:
„Es gab ab und zu mal Schwierigkeiten. […] Der erste Transport wurde besser aufgenommen als die weiteren Transporte. Man hat geglaubt, dass es mit dem einen Transport erledigt wäre, und da war die Bevölkerung jedenfalls mehr zugängig als später. Später war die Unterbringung schwieriger. Jeder hat sich ja gesträubt, einen Raum abzugeben – nur im äußersten Falle –, und dadurch war dann die Unterbringung zunächst etwas schwieriger geworden. Aber durch die systematische Überprüfung der Wohnungen war es dann doch leichter, weil die Leute sich ja auf Grund der Gesetze damals nicht weigern konnten. Die Flüchtlinge mussten ja aufgenommen werden, wenn Unterbelegung der Wohnung vorhanden war.“
Die schwierige Versorgungslage und große Wohnungsnot erschwerten die Unterbringung und berufliche Eingliederung der Neubürgerinnen und Neubürger. In den 1950er Jahren begründete Ministerpräsident Georg-August Zinn mit dem Hessenplan ein beispielloses Strukturentwicklungsprogramm, das Wohnraum und Arbeitsplätze schuf. Im Landkreis Fulda etwa entstand 1950 die Siedlung Niesig als erste neue Siedlung im Landkreis Fulda mit Unterstützung der Kreisbehörden und der hessischen Landesregierung. Die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Integration der Vertriebenen gilt heute als Erfolgsgeschichte.
Sei der erste der kommentiert