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Zeitzeugen vor der Kamera

| Ausstellung | | Kriegsende Nachkriegszeit
Die Fuldaerin Gertrud Rübsam teilte als erste Zeitzeugin vor der Kamera ihre Erinnerungen im Rahmen des Projekts „Fulda erzählt“. © Vonderau Museum

Nach intensiver Vorbereitungsphase konnten jetzt die Dreharbeiten für das vom Vonderau Museum Fulda initiierte Zeitzeugenprojekt „Fulda erzählt“ beginnen. Mit der Kamera wurden die ersten Zeitzeugengespräche festgehalten, die 2021 im Rahmen der Jubiläumsausstellung „Als die Demokratie zurückkam – 75 Jahre Verfassung in Hessen und Fulda“ erstmals präsentiert werden. Thematisch standen deshalb bei den ersten Film-Interviews die frühen Nachkriegsjahre (1945-1949) im Vordergrund. Zeitzeugen berichteten etwa aus den Jahren der amerikanischen Besatzung und des demokratischen Neuanfangs in Fulda und schilderten Alltagssituationen aus Kindheit und Jugend.

Das Projekt dient der fortwährenden Dokumentation von Zeitzeugenaussagen. „Das Vonderau Museum möchte sich im Zuge der Neukonzeption noch stärker nach außen öffnen und den Bürgerinnen und Bürgern mehr Möglichkeiten zur Beteiligung geben“, erklärt Museumsleiter Dr. Frank Verse. „Die Zeitzeugengespräche, die in Zukunft auch zu anderen Themen geführt werden sollen, sind ein wichtiger Baustein in diesem Vorhaben. Damit können sich die Einwohner Fuldas und der Region selbst an der Geschichte beziehungsweise deren Überlieferung beteiligen.“

Bereits Ende Juni wandte sich das Vonderau Museum in einem ersten Aufruf vor allem an jene Bürgerinnen und Bürger, die als Kinder oder Jugendliche die unmittelbare Nachkriegszeit in Fulda erlebt haben. Viele fühlten sich angesprochen und waren bereit, ihre persönlichen Geschichten und Erinnerungen zu teilen. „Wir freuen uns sehr über die Resonanz“, sagt Museumsmitarbeiterin Katja Galinski, die das Zeitzeugenprojekt betreut. „Insgesamt haben sich 35 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus Stadt und Region Fulda gemeldet. Auch Söhne und Töchter sowie Enkelkinder, die mit ihren Eltern beziehungsweise Großeltern über jene Jahre gesprochen und dabei vieles aus der Nachkriegszeit in Fulda erfahren konnten, haben uns angerufen oder E-Mails geschrieben.“

Nach dem Erstkontakt befragte Katja Galinski die Zeitzeugen zunächst in telefonischen Vorgesprächen zum jeweiligen Thema oder Ereignis, über das sie gerne erzählen wollten, ging dabei zudem auf persönliche Interessen oder Bezüge zur Stadtgeschichte ein und fragte auch nach Erinnerungsstücken, Dokumenten und Fotos, die später als Exponate Eingang in die Ausstellung oder in die Sammlung finden könnten. Danach wurden die ersten Zeitzeugen ausgewählt, zu den Aufnahmen eingeladen und die Interviews vorbereitet. „Bei den Zeitzeugengesprächen haben wir mit dem Büro beier+wellach projekte zusammengearbeitet, das uns mit seiner langjährigen Erfahrung bei dem Projekt unterstützt.“

Erste Drehtermine

„Bitte nicht stören – Dreharbeiten!“ war dann ab der vorletzten Septemberwoche auf zahlreichen Schildern an der Eingangstür und im Treppenhaus der Villa Schmitt nahe dem Fuldaer Paulustor zu lesen. Gedreht wurde in einem Raum im ersten Obergeschoss: Kamera und unterschiedliche Audio- und Videotechnik, Strahler, Stühle, ein Beistelltisch und ein schwarzes aufgespanntes Tuch als Hintergrund bildeten das Set. Ingo Rudloff, Psychologe und Filmemacher, und Francesca Belli vom Büro beier+wellach projekte, widmeten sich dort jeweils nach einem kurzen Vorgespräch intensiv und konzentriert ihren jeweiligen Gesprächspartnern, stellten Fragen und ließen die Zeitzeugen ihre Erinnerungen erzählen.

Einige Zeitzeugen hatten für die Aufnahmen Fotos und persönliche Dokumente mitgebracht. So zeigte Gertrud Rübsam, die als erste Teilnehmerin von „Fulda erzählt“ vor der Kamera Auskunft gab, auf ein Bild von ihrer Erstkommunion im Jahr 1945. Die 83-Jährige Fuldaerin hatte aus der Zeitung vom Zeitzeugenprojekt erfahren und sich beim Vonderau Museum gemeldet. „Denn ich habe etwas zu erzählen, was ich den Jugendlichen heute kundtun will: Wie die Zeit damals war.“ Eindrücklich schilderte Gertrud Rübsam Erfahrungen ihrer Kindheit, geprägt von Hunger, Not und beengten Wohnverhältnissen, und teilte ihre Erinnerungen an den Einmarsch der Amerikaner in Fulda: „Das war eine einzige Befreiung nach all den Bombennächten.“

Nächste Dreharbeiten mit weiteren Zeitzeugen sind für November geplant. Die bereits gefilmten Interviews werden nachbearbeitet. Ausschnitte daraus werden in die Ausstellung „Als die Demokratie zurückkam – 75 Jahre Verfassung in Hessen und Fulda“ einfließen.

Erinnerungsstücke als Exponate

„In Vorbereitung auf die Sonderausstellung suchen wir noch Gegenstände, Fotos oder Dokumente mit persönlichen Geschichten und Erinnerungen“, sagt Katja Galinski. Sie denkt dabei beispielsweise an Wahlplakate, Mitgliedsausweise oder Aushänge aus der Zeit der Demokratisierung, der Parteigründungen oder der ersten Wahlen 1945/46. Gesucht werden auch Fotos oder Objekte, die im Zusammenhang mit dem Amerika-Haus (1948-1953) in der Rabanusstraße oder dem amerikanischen Jugendheim German Youth Activities (1947-1953) in der Marienstraße in Verbindung stehen.

Alle, die ein Objekt als Leihgabe für die Ausstellung oder als Schenkung für die Sammlung zur Verfügung stellen möchten, werden gebeten, sich mit Museumsmitarbeiterin Katja Galinski in Verbindung zu setzen.

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