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Margot Burschel: Kriegsende und Amerikaner

| Geschichten | | Amerikaner Kriegsende
Porträtfoto von Margot Burschel © Vonderau Museum Fulda

Der Beitrag wurde von Margot Burschel (*27. März 1924 in Frankfurt/Main; † 23. November 2021 in Fulda) verfasst und im Rahmen des Dokumentationsprojekts „Fulda erzählt“ im Juli 2020 an das Vonderau Museum übergeben. Der handschriftliche Text ist nachfolgend in einer gekürzten Transkription aufgeführt und wurde um Archivbilder sowie biografische Informationen ergänzt.

[1]

Am Palmsonntag 1945 war für mich der Krieg
zu Ende. Zuvor war ich in Frankfurt/M. Im März
1944 total ausgebombt. Anfang März hatten
meine Eltern Silberne Hochzeit, mein Vater 25 Jahre
Dienstjubiläum. Am 27. wurde ich 20 Jahre.
Dann kam ein großer Luftangriff und das Haus
brannte bis zum Boden nieder. Es war Abend
und meine Mutter und ich wollten sehen, wann ein
Zug abfahren würde. Da knallte eine Nachbarhaus-
wand hinter uns auf die Straße. Wir mussten die Nacht
in der Anlage vor dem Polizeipräsidium verbringen.
Am Morgen danach bewegten wir uns in Richtung
Sachsenhausen zu meiner Tante. Dort ging es bei
weiteren Angriffen in einen Bunker rein und raus.
Im Bunker herrschten schreckliche Zustände. Nach
3 Tagen war der Bahnbetrieb wiederhergestellt und
wir konnten nach Fulda fahren. Da hatten meine
Eltern ein Häuschen am Wallweg. Da es vermietet
war, hatte wir nur einen Raum, in dem wir abends die
Matratzen auf dem Boden ausbreiteten.
Ich war Fernschreiberin in der Reichsbahndeputation.
Weil das im Rahmen einer Dienstverpflichtung war,
musste ich noch einige Monate zwischen Fulda und
Frankfurt pendeln, bis ich zur Standort-Gebühren-
stelle weiter verpflichtet war. In Gruppen
errechneten wir dort in der Ludendorff-Kaserne
den Sold der Soldaten. Im September 44 kam dann
der erste Angriff auf Fulda. Wir waren im Keller des

[2]

Gebäudes, an dem eine Bombe ein Eck abriss.
Von da an übten wir unsere Tätigkeit in der Baracke
am Waldschlösschen und im sogenannten Offiziers-
kasino aus. Im Kasino gab es nichts zu essen, außer
der Bömme, die wir von zuhause mitbrachten.
Dann kam der Palmsonntag. Das Kasino wurde zer-
bombt. Ich hatte keine Arbeitsstelle mehr. –
Zu uns zuhause kam ein Fahrradbote und sagte,
ich solle mich im Zieherser Hof zur Landarbeit
melden. Da fand ich einige etwa Gleichaltrige
vor. Der Gutsherr unterrichtete und, was wir zu machen
haben. Rüben vereinzeln haben wir dann
gelernt. Es gab mittags eine Erbsensuppe und ein
gekochtes Ei und 1,- RM am Tag. Der Rücken tat
mir weh und ich ging nicht mehr hin.
Im Juni kam derselbe Radfahrer vom Arbeitsamt.
Ich möge mich auf der Leipziger Straße im Hotel
Lenz melden. Da war meine Beschäftigung Coca-Cola
Flaschen öffnen. [Die Amerikaner kamen von der Kaserne nach Feierabend.] Nach ein paar Tagen hatte ich
blutige Finger. Da ich für die Kassiererin dolmetschen
musste, habe ich mich bei einer Leiterin vom amerika-
nischen Red Cross beschwert. Daraufhin bekam ich

[3]

mehr Geld (ca. 200,- DM pro Monat) und ich gab
Spiele aus und beschallte den großen Saal
mit amerikanischer Musik. Manchmal spielten
die Soldaten Bingo, oft gab es zeitgemäße Filme
zu sehen, was aber das Wichtigste für mich und
meine Arbeitskollegen war: es gab Donuts. Das
fertige Backmehl kam in großen, hölzernen Fässern.
Ein Kollege rührte es an und die Donut-Maschine
sprühte den Teig in heißes Fett. Donuts, die bis abends
nicht gegessen waren, durften wir nach Hause
mitnehmen. Das war auch zur Freude meiner
Eltern, denn es herrschte ja Knappheit in allem.
Ich konnte ja wenig aus der Ausbombung retten.
Meine Mutter näht mir aus dem Schal meiner Oma,
wunderschön mit Kreuzstich-Blumen voll bestickt und
einer alten Kellnerjacke meines Onkels eine Jacke.
Am oberen Wallweg lebten während des Krieges in
einer Baracke Ukrainerinnen. Wir nannten sie
Wolgamaiden. Nach deren Heimkehr fanden meine
Eltern dort Spinte. So hatten wir „Kleiderschränke“.
Ich fand einen völlig löchrigen, lila verblassten Pullover,
wusch den Dreck aus in der Regentonne. Nachdem
er sauber war, zog ich ihn auf und strickte [mit einem Stabilitätsfaden]
einen neuen, der allseits bewundert wurde.
Einmal pro Woche gab es Pferdefleisch bei Bolst.
Ich kann mich nicht erinnern, ob ich davon aß, aber
es war begehrt, denn sonst wäre in der Gasse

[4]

hinter der Markstraße nicht eine lange
Schlange Wartender auf Bedienung.
Fotos brachte man zum Drogist Steyer im
Krokodil.
Am 4. Juli 47 machte das amerikanische
Red Cross zu. Es gab ein großes Feuerwerk in
den Fulda-Auen.
Jetzt war meine Arbeit mit einigen US-Soldaten
Versandpapiere schreiben (Medizin und medizi-
nische Geräte). Das amerikanische Lazarett im
Herz-Jesu Krankenhaus wurde aufgelöst.
Danach bestritt ich die „Commissary-Order-
Section“. Die Amerikanerinnen telefonierten mir
ihre Lebensmittelwünsche und ein Soldat kam,
kaufte in Hersfeld im Commissary (dem ame-
rikanischen Lebensmittelladen) ein und liefer-
te den Familien aus. Ich erinnere mich in
der Vorweihnachtszeit. Ich musste immer erst
alle anderen Lebensmittel listen, dass das Fleisch.
„Schreib bitte „Mincemeat nicht zum Fleisch“.
„Mincemeat“ ist eine Trockenfrüchtemischung mit
Nüssen für die Weihnachtsbäckerei.
Abends gönnte man sich einen Kinobesuch: Im
Kino neben dem Amerika-Haus.
Mein Chef vom Herz-Jesu-Krankenhaus arbeitete
nun in der Jugendherberge. Da war das „Displaced
Persons“ Krankenhaus. Die DP’s wohnten im
Fuldaer „Congo“. Wer krank wurde, kam zu uns:
ein Russischer, ein Tschechischer, 2 lettische Ärzte

[5]

und ein Administrator leiteten das Haus.
Der tschechische Arzt machte auch Obduktionen
im Städtischen Krankenhaus. [...]
Mittags fuhren wir in einem offenen
Militärfahrzeug [und mit Essbesteck bewaffnet] ins Cafe Thiele.
Da sagte Dr. Roucek: „Da geht‘s so schön proletarisch zu.“
Wir bekamen da von den Amerikanern ein warmes
Mittagessen. [...]
Später arbeitete ich in dem Gebäude, wo jetzt die LVA
ist. Zuerst im Transportation Office. Die längste Zeit
vor meiner Auswanderung zuerst nach Kanada
und dann in die USA aber unter einem Captain
im Wohnungsamt. Dann wurden drei neue Bauten
erstellt. Eines als Offizierskasino, zwei für Zimmer
von Offizieren, die ohne Angehörige dienten. Neben
dem Wohnungsamt sorgte ich mit sechs Frauen für
Reinlichkeit und frische Betten. [...]

Zur Person:

Margot Burschel (geb. Krug) wurde am 27. März 1924 in Frankfurt am Main geboren. Ihr Vater stammte gebürtig aus Fulda. In Frankfurt arbeitete sie als Fernschreiberin bei der Deutschen Reichsbahn. 1944 wurde das Haus der Familie durch Luftangriffe zerstört und Margot Burschel zog nach Fulda. Dort arbeitete sie zunächst in der Gebührenstelle der Ludendorff-Kaserne und daraufhin in der Baracke am Waldschlösschen, dem sogenannten Offizierskasino.

Ab Juni 1945 war sie im Hotel Lenz in der Leipziger Straße tätig und ab dem 4. Juli 1947 erhielt sie eine neue Anstellung am amerikanischen Lazarett im Herz-Jesu-Krankenhaus, wo sie mit US-Soldaten Versandpapiere für Medizin und medizinisches Gerät schrieb.

Nach der Auflösung des Lazaretts bestritt sie die „Comissary-Order-Section“ und war dort für die Aufnahme von Bestellungen amerikanischer Frauen für Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs aus Bad Hersfeld zuständig. Außerdem war sie im „Displaced Persons-Krankenhaus“ sowie im „Transportation Office“ tätig und anschließend im Wohnungsamt.

Bis 1955 arbeitete Margot Burschel in verschiedenen Positionen für die Amerikaner und wanderte anschließend zusammen mit ihrem Mann nach Kanada und in die USA aus. Im Juni 1963 kehrte sie nach Fulda zurück. Das Paar bekam zwei Töchter. Margot Burschel starb am 23. November 2021 im Alter von 97 Jahren in Fulda.

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